Was Vertrauen mit Autorität zu tun hat

Auf LinkedIn bin ich über einen Beitrag mitsamt Schaubild (siehe rechts) gestolpert, in dem behauptet wird, Führung würde hauptsächlich mit Vertrauen, nicht aber mit Autorität funktionieren.  

Was steht drin? Im Text heißt es: 

Wie du als Führungskraft das Vertrauen deiner Mitarbeiter gewinnst
In einem Führungskräftetraining hat mir einer meiner Teilnehmer kürzlich die Frage gestellt: „Niko, ich wurde ja vom Kollegen zum Vorgesetzten befördert – wie schaffe ich es gegenüber meinen ehemaligen Kollegen Autorität aufzubauen?“

Eine berechtigte Frage, die sich viele Führungskräfte stellen. Egal, ob erfahren, oder noch neu in der Rolle.… aber ist Autorität wirklich das, was sie an der Stelle benötigen?

Ich habe den Teilnehmer gefragt, ob seine ehemaligen Kollegen ihm als Kollege vertraut haben.„Klar“ meinte er. Also fragte ich ihn: „Was glaubst du, passiert mit diesem Vertrauen, wenn du plötzlich einen auf autoritären Chef machst?“


Gestolpert bin ich mehrfach, 

  1. über die Vermischung  von “Autorität” und “autoritär” …
  2. über der (falschen) Gegensatz von Vertrauen und Autorität …
  3. über die vielen Likes (der Beitrag wurde mehr als 1200mal geliked)  …

zu 1) Autorität und autoritär klingen ähnlich, haben den gleichen etymologisch Ursprung, und sollten dennoch nicht verwechselt werden: Mit dem Adjektiv “autoritär” werden zumeist negative Persönlichkeits- und Führungseigenschaften zusammengefasst: streng, Gehorsam einfordern, diktatorisch, keine Widerworte duldend etc. Autorität hingegen ist eine wichtige Möglichkeit, Einfluss zu gewinnen, indem einer Person oder Institution eben Autorität zugeschrieben wird. Luhmann schreibt im Büchlich “Vertrauen”: “Autorität ist stets Vertretung einer Komplexität, die nicht im einzelnen erläutert wird” (Luhmann, Vertrauen, S. 67). Ohne Autoritätszuschreibung läuft gerade in unsicheren Zeiten, in denen gängige Formen der Unsicherheitsabsorption noch nicht greifen (Impfen ja/nein?) wenig. Insofern ist man gut beraten, für den Aufbau von Autoritäten zu sorgen, die z.B. Autorität gewinnen, indem sie nicht autoritär auftreten.

zu 2) Autorität und Vertrauen sind als sich ergänzende Führungsressourcen zu sehen. Autorität gewinnt man über Zeit, über Prozesse, die mit Vertrauen “in Gang kommen” und in denen sich dann Autoritäten herausbilden; gemeint sind Personen und Institutionen, die Richtungshinweise geben können, zur Not auch schnell intervenieren können, ohne dass diese, siehe das Luhmann-Zitat oben, alles einzeln erläutern müssen. Eine aktuelle empirische Impression: In Zirkel-basierten Organisationen ist öfters zu beobachten, dass in Phasen der Unsicherheit die Kommunikationsbedarfe steigen, es aber nicht so gut gelingt, die Kommunikation einzudämmen und in Richtungsentscheidungen zu überführen – es mangelt (oft) an Autoritätszuschreibungen (da dies der Idee der Kollegialität widersprechen würde …so eine Vermutung).

zu 3) In der LinkedIn/ Twitter- Kommunikation, gerade in Beiträgen, die rund um New Work, Agilität etc. veröffentlicht werden, gibt es weiterhin eine Tendenz, die Paradoxien von Führung und Organisation jeweils nur einseitig sehen zu wollen. Ganz unverständlich ist es nicht: Lieber “gleich” als “ungleich”, lieber mit “Freiheit” als mit “Zwang”, lieber “flexibel” als “strukturiert” etc. Die Crux der systemischen Organisationstheorie bleibt, dass sie darauf hinweisen muss, dass es um das Balancieren von zwei gegensätzlichen Dynamiken geht – klingt ein bisschen unsexy, sichert dafür das Überleben (-:

Und nein, man muss nicht immer Luhmann gelesen haben, es reicht z.B. auch, ELEMENT OF CRIME mit den Texten von Sven Regner zu lauschen: “Ohne Klarheit in der Sprache ist der Mensch nur ein Gartenzwerg”