von Torsten Groth
Von dem großen systemtheoretischen Vordenker George Spencer Brown gibt es ein Buch mit dem Titel „Dieses Spiel geht nur zu zweit“. Ungefähr so, wie der Titel es vorgibt, verhält es sich auch mit jeder Beziehung. Immerzu geht es um die Frage, welches „Spiel“ entsteht, wenn zwei „Spieler“ zusammen etwas Drittes kreieren. Hierzu einige grundlegende Überlegungen mit dem Ziel, praktische Ideen zu gewinnen für eine Vielzahl an Organisations-, Beratungs- und Führungsfragen, die man recht breit mit dem Begriff des Beziehungsmanagements zusammenfassen kann – auch wenn diese in der Praxis nicht so bezeichnet werden.
Beziehung als zirkuläres Zusammenspiel von zwei Einheiten
Der Wert des systemischen Denkens liegt unter anderen darin, verallgemeinerungsfähige Sichten auf komplexe soziale Phänomene zu erlangen. So auch im Fall der Betrachtung von Beziehungen. Der Einfachheit halber betrachten wir hier eine Beziehung als ein Zusammenspiel von zwei Einheiten A und B. Und da wir einen allgemeinen Zugang wählen, sind hiermit recht viele Konstellationen erfassbar. Naheliegend ist es, klassisch an Personen-Beziehungen zu denken, z.B. Paarbeziehungen, Eltern-Kind-Beziehungen oder auch an Vorgesetzte und Untergebene. Relevanter im Kontext von Organisationsfragestellungen ist es, den Blick stärker auf Konstellationen zu richten, in denen es um Kontakt und Kopplung oder auch Steuerung und Koordination von sozialen Einheiten wie Teams und Organisationen mit- und zueinander geht. Die Aspekte, an die man hier denken kann, umfasst ein Großteil aller relevanten Führungs- und Organisationsfragen, z.B. an das Verhältnis einer Konzernmutter zu den Tochterunternehmen, einer Stabseinheit zur Linie, oder einer Sparte zu einer anderen Sparte. Zu denken wäre auch an das Verhältnis eines Unternehmens zu Kunden und Lieferanten, das Verhältnis eines Teams zu anderen Teams eines Beirats zur Geschäftsführung oder zur übergeordneten Organisationseinheit, oder eines Investors zum Start up etc.
Immerfort – und dies ist die erste Erkenntnis – haben wir es mit „Beidseitigem“ zu tun, mit einem Verhältnis, das zirkulär „gebaut“ ist. Egal, welche Qualität die Beziehung annimmt, es bedarf immer Aktionen auf beiden Seiten, so dass sich eine Beziehung stabilisiert. Ein entsprechender systemischer Leitspruch von Fritz B. Simon lautet: „Keine Beziehung kann einseitig definiert werden“ (mit der Ausnahme physischer Gewalt wie z.B. Folter).
Dass es für Beziehung immer zwei braucht, klingt zunächst trivial, hat jedoch vielfältig Auswirkungen, die in der Praxis nicht immer bedacht werden – dort wird oft gedacht, man müsse einzig, einseitig und eindeutig „den Bestimmer bestimmen“ und bei diesem ansetzen. Aber diese Idee greift zu kurz, denn sie verkennt die erwähnte, eingebaute Zirkularität in jeder Beziehung.
Rekursive Beobachtung und rekursive Muster
Wenn eine Beziehung beidseitig definiert wird, dann kann (und sollte) man in der Führungs- und Beratungspraxis Beziehungen auch aus den jeweiligen Perspektiven der Beteiligten anschauen. Jede Beziehung lässt sich zunächst unter diesen naheliegenden zwei Gesichtspunkten reflektieren:
- Das Verhältnis von A zu B (aus Sicht von A)
- Das Verhältnis von B zu A (aus Sicht von B)
Nicht selten ist das Zur-Sprache-bringen dieser beiden oft unterschiedlichen Sichten eine erste, hilfreiche Intervention. Den Beteiligten wird die Unterschiedlichkeit und Selektivität der Sichten bewusst, und es ist in der Beratungspraxis immer wieder überraschend, wie wirksam dieses Spiegeln der Sichten ist, indem es neue Erklärungen für ggf. belastende Verhaltensweisen in der Vergangenheit liefert.
Und man erreicht noch mehr. Hervorgerufen durch die „naturgemäß“ unterschiedlichen Sicht- und auch Handlungsweisen bekommen die Beteiligten (wie auch Außenstehende) eine Idee, was für eine Eigenqualität eine Beziehung entwickelt. Sie führen sich selbst vor, was Systemiker nicht überraschen sollte: Infolge der „beidseitigen Definitionen“ entsteht etwas Drittes. Insofern gilt hier die Formel: 1 +1 = 3. Die Beziehung wird gesehen bzw. ist zu sehen als Interaktions- und Kommunikationsmuster mit einer eigenen, emergenten Qualität (… und nicht mehr nur als Abfolge der Aktionen und Reaktionen der Beteiligten). Diese Musterbildung können nicht-primär Beteiligte in ihrer „automatischen“ Außensicht oft leichter beobachten (also beschreiben, erklären und bewerten) als die direkt Beteiligten. Das Repertoire zirkulärer Fragetechniken kann helfen, den direkt beteiligten Akteuren eine hypothetische Außensicht zu ermöglichen: „Angenommen, eine Kamera würde das, was sich zwischen Ihnen abspielt, aufzeichnen, und sie würden sich den so entstandenen Film anschauen, was würde Sie dann sehen?“ – Wie auch immer eine solche Frage passend formuliert wird, das Ziel sollte darin liegen, dass die beteiligten Akteure eine übergeordnete Sicht einnehmen auf das von ihnen gemeinsam kreierte Dritte. Im Fokus steht hier:
- Das Verhältnis von A und B (aus der Außensicht) als etwas Drittens mitsamt den Dynamiken der musterhaften Stabilisierung über Zeit.
Jede Beziehung lässt sich gemäß der Leitlinie erforschen, verstehen und bearbeiten: Wie definiert A das Verhältnis zu B; wie B zu A; wie betrachten es beide in der Außensicht, und welches Muster ergibt sich aus diesen Konstrukten? Ein Erkenntnisziel solcher Befragung liegt darin, dass die bestimmende Qualität der Beziehung eine (im Handeln und Erleben der Beteiligten) nicht-intendierte Nebenfolge einzelner Beobachtungen und Handlungen von A und B ist.
Beidseitige Einbeziehung
Mit dieser Grundanlage wird auch deutlich, dass Lösungsideen, oder auch konkrete Beratungs- und Führungsinterventionen, die darauf abzielen, nur eine Partei habe „den Schlüssel in der Hand“, wenig hilfreich sind. Nicht selten finden sich in der Literatur Hinweise, oder hört man Ratschläge, was eine Partei zu tun oder zu lassen habe, um eine Beziehung erfolgreich(er) zu gestalten: A habe B klare Anweisungen zu geben (oder auch nicht), Vorgaben zu machen (oder auch nicht), freundliche Angebote zu machen (oder auch gerade nicht) etc. Ratschläge dieser Art verkennen, dass es zum Erfolg immerfort eine komplementäre (s.u.) Sicht- und Handlungsweise der anderen Seiten braucht.
Folglich ist es ratsam, in Führungs- und Beratungsprozessen immerzu dafür zu sorgen, dass die jeweils andere Seite angemessen einbezogen wird – wie immer dies auch praktisch geschehen kann. Geschieht dies nicht (oder nicht angemessen), so muss damit gerechnet werden, dass die nichteinbezogene Seite den Prozess „nachhaltig irritieren“ wird. – Das „Einbezogen werden“ beider Seiten kann als notwendige Basis für die Arbeit an Beziehungen gesehen werden. Hinreichend wird dies erst, wenn der Zweck einer Beziehung in den Blick genommen wird. Hierzu ein paar grundlegende Überlegungen zu „funktionierenden“ Beziehungen.
Beidseitige Bejahung
Beziehungen funktionieren generell, wenn es eine beidseitige „Bejahung“ gibt (alles andere wäre Folter, Gewalt, Sklaverei, s.o.). Auch dies klingt trivial, hat aber u.a. zur Folge sich zu fragen, welchen Nutzen die Beteiligten in der Beziehungserhaltung sehen. Und selbst hochgradig asymmetrische Beziehungen, die womöglich von der einen Seite als nicht befriedigend erlebt werden, werden immer auch Anteile eines „Ja“ aufweisen. Das beidseitige „Ja“ führt wiederum praktisch zur Frage, welchen Nutzen die Beteiligten der Beziehung auch sehen. Praktisch geht es darum, die Funktion der Aufrechterhaltung der Beziehung mit den Beteiligten in den Blick zu nehmen. Hierzu bietet es sich an, den Prämissen einer funktionalen Analyse zu folgen.
Macht in Beziehungen …
… als Drohmacht
Das Medium der Macht ist ein wichtiger Aspekt in Beziehungen. Auch wenn es sicher nicht angemessen ist zu sagen, dass Macht eine Beziehung steuert, so ist es dennoch ratsam, Machtaspekte mit den Beteiligten zu thematisieren: Wenn es für eine Beziehung der beidseitigen „Bejahung“ braucht, dann zeigt sich allein hierin, dass Macht nur im Extremfall einseitig ausgeübt werden kann (und sollte). Dies ist der Fall, wenn es A gelingt, dass sich B dessen Willen unterwirft. A übt hierbei zumeist Macht aus über die Androhung von Konsequenzen. Wird Macht so ausgeübt, dann ist jedoch auch ein Preis einzurechnen, insbesondere das Risiko der Preisgabe dessen, was die andere Seite einem (auch/ sonst noch) gibt. Der drohende Machteinsatz ist somit riskant und kann auch dazu führen, dass die andere Seite die Beziehung beendet. Damit sind eindeutige Formulierungen mit Drohpotential entweder nur als Ultima ratio zu verstehen, deren Funktion hauptsächlich darin besteht, ein Spielfeld zu rahmen, in dem man sich besser miteinander einigt, damit die Macht nicht zum Einsatz kommt. Oder aber Machtandrohungen sind nur bei Entscheidungen ratsam, die das Ende einer Beziehung einkalkulieren: Der Chef droht mit Entlassung, der Kunde droht die Lieferantenbeziehung zu beenden etc.
Doch Macht ist nicht nur in Form von Drohungen zu denken, oft wird über Austauschbarkeiten verhandelt und in dieser Form lassen sich
… als Austauschbarkeit
Statt Macht als Drohmacht zu verstehen ist es hilfreicher, Machtverhältnisse in ihrem Funktionieren unter dem Gesichtspunkt der (Konstruktion der gegenseitigen) Austauschbarkeit zu betrachten. Macht hat in einer Beziehung derjenige, der sich im Verhältnis zum anderen als weniger austauschbar empfindet und/oder in einer über die „Austauschbarkeit“ des anderen bestimmen kann. Dieses kann wiederum für Personen-Beziehungen gelten oder auch für das Verhältnis von sozialen Einheiten zueinander: Die Holding hat Macht über die Tochterunternehmen, da sie um Zweifelsfall diese verkaufen kann; aber das Tochterunternehmen hat ggf. auch Macht über die Holding, da diese über Kunden, Produkte, Verfahren etc., die das Überleben der Holding sichern. Allein an diesem Beispiel wird schon deutlich, dass Macht eher als Gewebe zu sehen ist, bestehend aus vielen unterschiedlichen Machtzusammenhängen. Für Führung wie für Beratung ist es ratsam, die Verknüpfung vieler unterschiedlicher Machtverhältnisse im Blick zu haben bzw. in den Fokus zu rücken.
Unter dem Gesichtspunkt der Austauschbarkeit wird auch deutlich, dass Formalität (z.B. Hierarchie) allein nicht ausreicht, um eine Beziehung zu bestimmen. Beispiel: Auch wenn in Familienunternehmen i.d.R. der Beirat formell über den Geschäftsführer bestimmt, ist dieser selten als der Mächtigere anzusehen, sofern der Geschäftsführer mit seiner Kenntnis des Unternehmens, der Kunden, der Branche etc. als kaum kurzfristig ersetzbar angesehen wird. Zugleich ist es für einen Geschäftsführer auch nicht ratsam, sich mit Verweis auf seine Kompetenzen und Kenntnissen über den Beirat zustellen und diesem seine eigenen Strategien überzustülpen oder auch Extra-Bezahlungen abzuringen.
Beziehungen sind, allgemein wie auch mit Blick auf Machtaspekte, als Aushandlungs- und Abwägungsprozesse zu betrachten und zu gestalten.
Mehrdimensionalität
Die vorigen Beispiele zeigen, dass (Macht-) Beziehungen selten eindimensional zu betrachten sind. Mal ist die Holding dominant, mal das Tochterunternehmen, mal der Beirat dominant, mal die Geschäftsführung etc. – und darüber hinaus finden sich viele andere Aspekte, unter denen auch noch andere Institutionen oder auch Personen relevant werden könn(t)en für die Beziehung (… und diese ggf. auch mitbestimmen könn(t)en). Eine Beziehung wird somit zu einem heterogenen Feld. Sie gleicht eher einem Milieu oder auch einem Netzwerk denn einem Strich, mit dem in vielen Darstellungen eine Beziehung symbolisiert wird. Immerfort finden sich mehrere Dimensionen, unter denen eine Beziehung zu bewerten ist und auch von den Partnern bewertet wird. Entscheidend ist hier die eingangs erwähnte Beobachterabhängigkeit. Worauf wird die Aufmerksamkeit fokussiert? Welche Partei beschreibt, erklärt und bewertet welche Dimension der Beziehung wie? Wie anders wird diese Sicht von anderen vorgenommen? In welcher Hinsicht wird über Austauschbarkeit oder Nicht-Austauschbarkeit verhandelt?
Kontenführung
Dass Themenfeld Mehrdimensionalität und Beobachterabhängigkeit führt zu ganz praktischen Überlegungen, auf welchen Aspekt hin Beziehungspartner und -beteiligte die Beziehungsqualität verdichten. Hier bietet es sich an, das Konzept der „Kontenführung“ (vgl. Helm Stierlin, Fritz B Simon) heranzuziehen. Zumeist kommt es in Beziehungen zu Vergleichsprozessen des Gebens und Nehmens und damit zu einem Abwägungsprozess, ob beide Pole gut balanciert sind. Geraten Geben und Nehmen oder auch Aufwand und Ertrag aus der Balance, ist dies zumeist der Beginn von Erosionsprozessen in der Beziehung. Es werden sog. Plus- bzw. auch Minuskonten geführt, die den Beziehungsalltag insofern prägen, als dass der Kontenstand mit der Erwartung an einen absehbaren Kontenausgleich verknüpft wird. Der Eine wartet auf und erwartet bestimmte Handlungen vom anderen … Vor diesem Hintergrund sind Führung wie Beratung gut beraten, Ideen über den „Kontenstand“ der Beteiligten zu bekommen. Der Treiber vieler Konflikte oder auch vermeintlich unerklärlicher Weigerungen einer Seite, Beiträge für die Beziehung zu leisten, liegt in Minuskonten, die der jeweils anderen Seite nicht bewusst ist (womöglich, weil sie in einer anderen Beziehungswährung rechnen und verrechnen).
In das Feld der Kontenführung gehört auch die Bezahlung der Beteiligten. Hierbei geht es nicht nur um eine „einfache“ Entlohnung der geleisteten Tätigkeiten, sondern zugleich um eine Form der Beziehungsklärung. Die Entlohnung wird zu einem Aspekt in dem heterogenen Feld weiterer, jeweils unterschiedlich balancierter und verrechneter Beziehungsaspekte (… und ist insofern auch mit einzubeziehen).
Symmetrie oder Asymmetrie?
Das Thema der Beziehungsklärung macht einen kleinen Schlenker zu grundsätzlich unterschiedlichen Typen von Beziehungen notwendig. Hierzu kann die auf Gregory Bateson zurückgehende Grundüberlegung herangezogen werden, dass eine kommunikative Beziehung eigentlich nur zwei Formen annehmen kann: Sie ist entweder von Symmetrie geprägt, basiert also auf Gleichheitsannahmen, oder von Asymmetrie, basiert mithin also auf Ungleichheit:
- In symmetrischen Beziehungen wird immerfort auf Gleichrangigkeit und Gleichheit geachtet. Die Kontenführung wird tendenziell im selben Medium vorgenommen. Der (schnelle) Ausgleich gehört zur Beziehungsbasis. Asymmetrien werden nicht lange geduldet.
- In asymmetrischen Beziehungen hingegen wird Ungleichheit als „normal“ akzeptiert. Asymmetrische Beziehung sind insofern robust gebaut, da in die Beziehung eine Klärung „eingebaut“ ist. Auf Gleichheit beruhende Beziehungen hingegen haben mit dem Dauerproblem der Klärung der Gleichheitsfrage zu kämpfen, sie sind im Kern unruhig.
Symmetrische Formen der Beziehung finden sich oftmals innerhalb der Familie, in Teams etc. und eher selten in der Beziehungsgestaltung formalisierter Institutionen. Bei Letzteren wird eine asymmetrische Beziehung erwartbar sein, denn es geht im Zusammenspiel der Institutionen um brauchbare Formen der funktionalen Differenzierung – und dies in der Ausprägung einer komplementären Beziehung …
Komplementarität und Sinnhaftigkeit
Unter Komplementarität versteht man in der Kommunikationstheorie eine Beziehungsqualität, in der die Unterschiedlichkeit der Beteiligten als brauchbar erlebt wir. Man ergänzt sich. Jede Seite weiß, was sie von der jeweils anderen hat. Eine so funktionierende Beziehung zeichnet sich dadurch aus, dass den Beteiligten im Groben der eigene Sinnrahmen und der des Gegenübers bekannt ist (und letzterer in die eigene Rahmensetzung überführt wird). Da die Sinnhaftigkeit der Beziehung grundsätzlich anerkannt wird, kann an der alltäglichen Ausgestaltung der Beziehung gearbeitet werden. Zumeist zeigt sich Komplementarität in einer Parallelität von Unterschiedlichkeit und Ähnlichkeit. Was kann/macht der andere, was wir nicht können/ machen wollen? Wo sind wir uns, z.B. in unseren übergeordneten Zielen, zugleich so ähnlich, dass wir unsere Unterschiedlichkeit auch nutzen können etc.? – Ein Ziel des Beziehungsmanagements liegt daher darin, die vielschichtigen Formen der Komplementarität mit den Beteiligten zu erarbeiten.
Besteht grundsätzlich Einigkeit über die Komplementarität und die Sinnhaftigkeit, dann sind Kämpfe um Vorherrschaft nicht mehr notwendig. In dieser Hinsicht funktionierende Beziehungen müssen nicht bei jeder neuen Sachlage neu geklärt und ausgehandelt werden.
Vertrauen und „generalisierte Reziprozität“
Wenn alle Beteiligten mehrfach die Erfahrung gemacht haben, dass die Unterschiedlichkeit nützlich ist, dass beide „etwas voneinander haben“, dass zu bestimmten Gelegenheiten Macht nicht einseitig ausgenutzt wird etc., dann stellt sich Vertrauen ein. Dieser Prozess kann unterstützt werden, z.B. durch Zeichen der Aufmerksamkeit für den jeweils Anderen, oder auch durch Symbole der Verbundenheit im Auftreten in der Öffentlichkeit oder auch durch – wie Luhmann es nennt – „brauchbare Illegalität“ (das bewusste Dulden von Übertretungen zum Zwecke der Stabilisierung der Beziehung). Ziel und Ergebnisse dieser Handlungen ist eine „generalisierte Reziprozität“. Dies hat den Vorteil, dass nicht im Kleinen verrechnet wird und auch empfundene Ungerechtigkeiten kurzfristig ausgehalten werden. Liegt Reziprozität vor, kann man meist auch von einer „stabilen Beziehung“ sprechen. Für Führung und Beratung heißt dies, für Prozesse und Aufmerksamkeitsfokussierungen zu sorgen, in und mit denen Vertrauen und Reziprozität entstehen.
Sauberkeit und Klarheit?
Beziehungsmanagement im Alltag heißt – wie gezeigt wurde – gemeinsame Arbeit an einem mehrdimensionalen, beidseitig konstruierten, zirkulär gebauten, machtvollen Muster, das im Laufe der Zeit immer mehr Eigenqualitäten entwickelt. „Sauber“ und „klar“ formulierte Bedingungen des Miteinanders bis hin zu vertraglichen Regelungen können das skizzierte komplexe Zusammenspiel nur ansatzweise wiedergeben. Ihr Zweck besteht eher darin, das Ultima Ratio der Beziehungsbeendigung zu markieren, als dass es das Miteinander fördert.