Wie mache ich einen Unterschied?

Über den Fokus der Aufmerksamkeit und die Bedeutung von Meetings für den Führungsalltag

von Timm Richter

Viele Führungskräfte berichten Ähnliches: an einem langen Tag hetzt man von Meeting zu Meeting und hat am Abend das Gefühl, nicht wirklich was geschafft zu haben. Wenn nur diese Meetings nicht wären, dann könnte man mal in Ruhe nachdenken oder seine eigentliche Arbeit erledigen! Meetings werden oft als lästige Zusatzbelastung wahrgenommen, die man am liebsten loswerden möchte. Nichts wäre falscher!

Kommunikation ist die Basis von Organisationen

Der große Vorteil von Organisationen und auch der Grund ihrer Existenz ist ihre Fähigkeit, Probleme zu lösen, die man alleine nicht lösen kann. Organisationen sind soziale Einheiten, die die Handlungen von vielen Menschen, nämlich ihren Mitgliedern, so koordinieren, dass man gemeinsam eine Leistung erbringt, einen Zweck erfüllt.
Damit eine Organisation als Ganzes leistungsfähiger ist als die Summe ihrer Teile, bedarf es der Abstimmung zwischen den Mitgliedern. Diese Abstimmung oder auch Kopplung ist Kommunikation. Prozesse, die in Organisationen ablaufen, sind Kommunikationsprozesse. Entscheidungen, was eine Organisation (nicht) macht bzw. was man als Mitglied einer Organisation (nicht) machen sollte, sind Kommunikationen. Genau genommen ist eine Organisation nichts anderes als all diese Kommunikationen.

Das heißt aber auch umgekehrt: was nicht kommuniziert wird, existiert nicht in der Organisation. Man kann in die Köpfe anderer Menschen nicht hineinschauen. Brillante Ideen können in Organisationen nur fruchtbar werden, wenn sie mitgeteilt werden. Wenn man selbst oder Mitarbeitende Ideen haben, was man besser machen könnte oder wenn man im Austausch mit Kunden Feedback erhält, kann eine Organisation von diesem Wissen nur dann profitieren, wenn darüber in der Organisation kommuniziert wird.

In diesem Sinne sind auch die relevanten Umwelt von Organisation, z.B. Märkte und Kunden, nicht “an sich”, sondern immer nur über den Umweg der Kommunikation in der Organisation präsent. Die Organisation “schafft” sich ihre eigene Umwelt selbst. Wenn eine Organisation z.B. wissen will, wie ihre Marktposition ist, dann werden Marktstudien eingekauft, Verkaufs- und Wettbewerbsdaten analysiert und Kundenfeedback eingeholt … und in die interne Organisationskommunikation gebracht. Dieses Einbringen erfolgt über die Kommunikation der Organisationsmitglieder. Wenn der Report, in dem eigentlich alles Wichtige steht, nicht gelesen und besprochen wird, dann hat er keine Relevanz. Und es hätten natürlich auch andere Marktstudien herangezogen werden, andere Daten analysiert und andere Kunden befragt werden können. Was also für die Kommunikation selektiert wird, mithin in den Fokus der Aufmerksamkeit kommt, macht einen großen Unterschied.

Führungskräfte können nur durch Kommunikation wirken

Wenn also Führungskräfte in Organisationen wirksam werden wollen, dann liegt ihr grundsätzlicher und erster Hebel darin, Einfluss darauf zu nehmen, was in die Kommunikation und in den Fokus der Aufmerksamkeit gelangt. Der “Druckpunkt” von Führungskräften auf Organisationen sind ihre eigenen Kommunikationsbeiträge. Nur so sind sie selbst mit der Organisation gekoppelt. D.h. Kommunikation ist die notwendige Voraussetzung, um Führungsleistung zu erbringen. Der Beitrag von Führungskräften äußerst sich nur in Kommunikation. Wie auch für andere Mitglieder gilt: eigene strategische Erkenntnisse, Analysen oder Kundenbeobachtungen haben überhaupt nur eine Chance beachtet zu werden, wenn sie in die Kommunikation gelangen.

Meetings sind dabei ein zentrales Format. Es handelt sich um bi-direktionale Kommunikation unter Anwesenden. Dadurch, dass wir uns persönlich begegnen, stehen viele Kommunikationskanäle zur Verfügung: Sprache, Intonation, Non-Verbales. Und wir können direkt und sofort aufeinander reagieren, erhalten also Feedback. Eine sehr enge und intensive Kopplung, d.h. Kommunikation, wird möglich. Gleichzeitig ist die Anzahl von Teilnehmern in vielen Meetings so gering, dass auch eine Entscheidungsfindung mit Bindungscharakter möglich bleibt. Genau deswegen gibt es Meetings in Organisationen.

Neben Meetings gibt es für Führungskräfte auch noch andere Möglichkeiten, Kommunikationen zu gestalten. Die Anzahl der Teilnehmenden in Präsenzmeetings kann erhöht werden. Je mehr Teilnehmende es gibt, desto stärker wird die Kommunikation uni-direktional. Eine Führungskraft kann noch alle Kommunikationskanäle nutzen und wirkt in ihrer Präsenz, die Rückkanäle sind allerdings schwächer ausgeprägt. Neben der Kommunikation unter Anwesenden gibt es in Organisationen die Möglichkeit der schriftlichen bzw. asynchronen Kommunikation. Diese kann wiederum bi-direktional (Email, Messenger-Plattformen, Intranet, etc.) oder uni-direktional (Video-Botschaften, Strategieverkündungen, Arbeitsanweisungen, Handbücher, etc) erfolgen. Bei der Wahl der geeigneten Kommunikationsform werden stets Reichweite und Schnelligkeit gegen Beteiligung und Intensität abgewogen.

Führungskräfte haben einen großen Einfluss auf den Fokus der Aufmerksamkeit

Die gute Nachricht für Führungskräfte ist: durch ihre formale Rolle haben einen größeren Einfluss als andere Mitglieder, welche Kommunikation wie stattfindet. Qua Rolle können Führungskräfte Kommunikationsanlässe schaffen: einen Strategietag einberufen, Gremien gründen, (regelmäßige) Meetings initiieren. Manches davon können andere Mitglieder zwar auch, aber bei Einladungen durch Führungskräfte ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass Eingeladene teilnehmen.

Und auch auf den Ablauf von Kommunikationen können Führungskräfte stärker als andere Einfluss nehmen, indem sie z.B. die Agenda festlegen oder aber über die Spielregeln der Kommunikation entscheiden. Auch hier gilt: Führungskräfte können nicht entscheiden, wie sich die Kommunikationen dann schlussendlich entwickeln, aber sie können Strukturen und Rahmungen definieren, an denen sich die Kommunikation orientiert. Vor allem durch Themensetzungen und Festlegung von Teilnahmen an Kommunikationen können Führungskräfte Ressourcen der Organisation so fokussieren, wie sie es für richtig halten.

Die oben genannten Maßnahmen sind direkte Beeinflussung des Fokus der Aufmerksamkeit, die Führungskräfte durch ihre formale Macht ergreifen können. Mindestens genauso wichtig sind indirekte Einflussnahmen. Ob die Führungskräfte es wollen oder nicht, sie werden von den anderen Mitgliedern beobachtet, da die anderen den Führungskräften Relevanz zusprechen. Andere achten darauf, was sie glauben, was Führungskräfte „wirklich“ meinen oder wollen; und handeln entsprechend. Eine unbedachte, abfällige Bemerkung über ein Projekt, das ansonsten offiziell gelobt wird, hat die Konsequenz, dass das Projekt möglicherweise weniger Aufmerksamkeit bekommt. Und selbst wenn eine Führungskraft sagt, dass ein Thema nicht so wichtig ist und Zeit hat, muss sie damit rechnen, dass Mitarbeitende allein das In-die-Kommunikation-bringen als wichtigeres Zeichen interpretieren und sich eben doch sofort und intensiv um das Thema kümmern.


Die Lenkung der Aufmerksamkeit ist die Mechanik, über die Führungskräfte Einfluss auf Organisationen nehmen. Deswegen lohnt es sich, sehr bewusst die Aufmerksamkeit zu fokussieren. Nicht nur, aber vor allem auch in Meetings.